Heute möchte ich mich einem Buch widmen. Einem Buch, das ich mehr als nur mag. Ich bin vor einer Weile wieder darauf gestoßen. Plötzlich war der Gedanke daran da. Einfach so. Irgendwie eigenartig, aber ich mag Unerklärliches.
Der Titel des Buches lautet, wie der Beitragstitel unschwer erkennen lässt, „Gut gegen Nordwind“. Geschrieben wurde es von Daniel Glattauer, dessen vorangegangene Werke wenig Aufmerksamkeit erhielten. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich bis heute nur zwei seiner Veröffentlichungen kenne – die hier erwähnte und das worüber ich später auch einen Beitrag schreiben werde.
„Gut gegen Nordwind“ ist ein recht ungewöhnliches Buch. Es besteht einzig und allein aus E-Mails. Bis auf wenige Ausnahmen schreiben sich diese Nachrichten lediglich zwei Protagonisten: Emmi Rothner und Leo Leike. Ein folgenschwerer Tippfehler führt die beiden zu diesem digitalen Dialog zusammen. Eigentlich wollte Emmi nur ein Abonnement per E-Mail kündigen und vertippt sich bei der Angabe des Empfängers. Diese Ausgangssituation wirkt ein wenig inszeniert, weil es sich ausgerechnet um einen männlichen Fehlempfänger handelt, der rein zufällig auch noch in derselben Stadt wohnt. Doch die Nachrichten, die Emotionen, die auf diesem Grundstein aufbauen sind in sich wiederum dermaßen logisch und lebendig, dass man gern darüber hinwegsieht.
Wer nun denkt, dass das andauernde Lesen von einem Schwall E-Mails anstrengend sei, der hat normaler Weise Recht. Glattauer löst dieses Problem durch eine Lockerheit, die manchem E-Mail-Client gut stehen würde. Er lässt logischerweise Sachen wie Adressangaben außen vor und gibt nur relative Zeitangaben wie z.B. „5 Tage später“. Dabei erzeugt er ein wirklich intuitives Verständnis, sodass man sich wie auf einer Hängematte am Karibikstrand dem Fluss der Geschichte hingeben kann.
Was als Zufall beginnt entwickelt sich, wie man vermuten kann, zu einem hoch emotionalen Austausch genial formulierter Gedanken. Dabei versteht es Glattauer die Spannung zu keinem Zeitpunkt abreißen zu lassen. Nie entsteht ein beruhigendes Gefühl der Klarheit. Ich habe bis heute noch kein anderes Buch in irgendeiner Form konsumiert, das nicht irgendwann wenigstens für einen Moment in Gleichgültigkeit und Langeweile abrutschte.
Gern würde ich näher ins Detail gehen. Aber ich kann nur eine klare Leseempfehlung geben. Es ist zu schön diese Entwicklungen selbst „mitzuerleben“, als dass ich da etwas vorwegnehmen möchte.
Ich persönlich bin schon lange kein Fan mehr von echten, greifbaren Büchern (mit Ausnahme von Fachliteratur). Also habe ich es mir damals als Hörbuch gekauft, wie das Foto eingangs zeigt. Es gibt mehrere Lesungen davon. Ich habe abgesehen von der selbst erworbenen auch andere Versionen hören können. Aber die hier gezeigte Fassung – gelesen von Andrea Sawatzki und Christian Berkel – ist dabei mein klarer Favorit. Abgesehen davon, dass die Stimmen als solche schön mit dem gesprochenen Wort harmonieren, bin ich der festen Überzeugung, dass die Tatsache der realen Beziehung zwischen den Vorlesern ihren ganz eigenen Charme zur Erzählweise beiträgt. Sollte sich also jemand berufen fühlen „Gut gegen Nordwind“ als Hörbuch zuzulegen, so kann ich die beschriebene Version wärmstens empfehlen.
Jetzt fragt sich vielleicht der geneigte Leser, wie ich dazu kam dieses Buch zu lesen respektive zu hören. Richtig, der Titel ist etwas ungewöhnlich und erzeugt wenig Spannung. Auch der Autor war mir zu diesem Zeitpunkt gänzlich unbekannt. Das Cover sieht auch zu gewöhnlich aus, als dass es mir aufgefallen wäre. Nein, ich hätte wahrscheinlich 20 Prozent der darum stehenden Werke aus dem Regal genommen. Des Rätsels Lösung ist ganz einfach: Es wurde mir empfohlen – natürlich auf digitalem Weg! Allerdings ganz ohne Tippfehler. Es war keine Werbung, sondern ein bis heute unvergessener Hinweis. Mehr möchte ich dazu gar nicht weiter schreiben, weil das hier nicht hingehört – außer: Danke!
Nachdem ich vor Jahren also das erste Mal – oder besser die ersten Male – „Gut gegen Nordwind“ gehört hatte, sah ich immer wieder Plakate, die eine Theaterumsetzung des Buches anpriesen. Die unterschiedlichsten Theater versuchten auf der Welle des Erfolges mit zu treiben. Ich habe mich nicht getraut auch nur eine einzige Version davon anzusehen, so sehr es mir auch in den Fingern juckte, wenn ich wieder an einem der besagten Werbeträger vorbeiging. Die Angst davor von der Geschichte, in die ich mich regelrecht verliebt hatte, enttäuscht zu werden, war einfach zu groß. Ich hatte mich ja auch an die Stimmen der Lesung gewöhnt.
Als ich vor einiger Zeit also von dem Gedanken an das Buch überrascht wurde, musste ich zunächst suchen. Da ich dafür manchmal – aus chaotischen; ich meine natürlich unerfindlichen Gründen – länger brauche, habe ich im Erinnern an die Plakate einfach einmal bei youtube danach gesucht und einen Trailer zu einer Aufführung der Wiener Kammerspiele gefunden. Ein paar Klicks und eine Paketlieferung später lag die DVD schon im Laufwerk. Mir hat gefallen auf welch simple Art und Weise man diesen E-Mail-Dialog auf die Bühne gebracht hat. Die beiden Protagonisten werden von Ruth Brauer-Kvam und Alexander Pschill gespielt – augenscheinlich eine wohlüberlegte Besetzung! Natürlich musste gekürzt und improvisiert werden, um eine optisch ansprechende Inszenierung zu erreichen, die zeitlich nicht den Rahmen sprengt. Eine wirklich gelungene Leistung aller Beteiligten, die ich mir seit dem Kauf nun schon mehrfach angesehen habe und sie immer wieder genießen kann. Ich war mehr als nur positiv überrascht. Abgesehen davon war es für mich ein witziger Punkt, dass die Bühnenfassung aus Wien stammt und der Hinweis auf das Buch mich damals aus Innsbruck erreichte. Sich schließende Kreise sind immer ein gutes Zeichen, wenn auch die Bedeutung manchmal im Verborgenen bleibt.
Auf Grund der verschiedenen Anpassungen, die für das Theaterstück gemacht wurden, würde ich jedem Neuling raten, zuerst das Buch zu lesen, dann die Aufführung zu sehen! Dennoch möchte ich besagten Trailer nicht vorenthalten:
Die Geschichte endet genauso anders wie sie geschrieben ist. Als ich sie das erste Mal hörte war das ein sehr komisches Gefühl und warf unendlich viele Fragen auf. Ich danke Daniel Glattauer auf Knien dafür, dass er ein zweites Buch schrieb, das mich fesselte. Aber dazu mehr in einem separaten Beitrag!
Über Kommentare anderer Leser(-innen) würde ich mich freuen. Vielleicht habe ich auch ja auch den ein oder anderen dazu animieren können, der „Gut gegen Nordwind“ noch nicht kannte, sich damit zu beschäftigen. Auch hier würde mich interessieren, ob ich zu viel angedeutet / versprochen habe bzw. wie es ankam.
Wenn euch der Beitrag also gefallen hat oder auch nicht, lasst es mich wissen! Vielleicht ja per E-Mail?