Den Ausstieg von Vic Gundotra bei Google haben in den letzten Tagen wieder einige zum Anlass genommen Google+ nicht nur zur Geisterstadt zu deklarieren, sondern gar das Einstellen des Dienstes zu prophezeien.
Warum wird Google+ bei jeder Gelegenheit von allen Seiten mit solcher Kritik konfrontiert? Keine Frage, die Nutzerzahlen im Vergleich zu Facebook stellen keine Konkurrenz dar. Aber müssen sie das überhaupt? Ich persönlich denke, dass die Qualität eines Netzwerkes heutzutage längst nicht mehr über Nutzerzahlen und Aktivitätsindizes gemessen werden kann. Das sind allenfalls Indizien, aber sagen unterm Strich nicht wirklich viel aus. Der Markt ist überlaufen mit lauter kleinen Exoten und auf der anderen Seite gibt es ein paar große Netzwerke, die aber vollkommen unterschiedliche Nutzer ansprechen. Facebook ist da vielleicht eine Ausnahme, weil es schon länger am Markt ist. Dort teilen die Nutzer einfach alles. (Allerdings auch mit unzähligen Unternehmen, von denen sie wahrscheinlich nie etwas gehört haben.)
Aber ich möchte im Kern bei Google+ bleiben. Hier lässt Google dem Nutzer sehr viel Freiraum was die Gestaltung seines bzw. seiner Streams angeht. Wen man nicht lesen möchte, nimmt man nicht in seine Kreise auf und andersrum. Jeder kann sehr fein granulieren mit wem eigene Inhalte geteilt werden. Es gibt keine Beschränkung für Kreise und so lässt sich leicht ein individuelles System erschaffen, das gezielt Informationen auffinden lässt und verbreitet. Um an gewünschte Inhalte zu kommen benötigt es allerdings beim Einstieg einiges an Eigeninitiative. Das ist für Umsteiger von Facebook natürlich ungewohnt. Dort bekommt man bereits nach Ausfüllen weniger Daten die ersten Fremdeinflüsse zu spüren und kann sich quasi durchhangeln.
Wer also alles auf dem Silbertablett haben möchte, ist bei Google+ sicherlich falsch aufgehoben und wird einen öden Stream führen, der ihn schnell langweilt. Hier liegt meiner Meinung nach der Ursprung der Geisterstadt-Theorie.
Ich für meinen Teil hatte auch Einstiegsschwierigkeiten, habe aber von Anfang an das Kreis-Prinzip unschlagbar gefunden und so beharrlich versucht durch Eigeninitiative etwas aus dem Netzwerk für mich zu machen. Heute möchte ich nicht mehr ohne. Ich habe tolle Menschen kennengelernt, kann mich in den verschiedenen Streams über gänzlich unterschiedliche Themen austauschen und beziehe sogar meine News weitestgehend über Google+.
Totgesagte leben länger. In diesem Sinne: Es muss nicht jeder Google+ toll finden. Wer sein persönliches Glück darin sieht sein Frühstück zu fotografieren um das Jury-Urteil der Weltöffentlichkeit zu erfahren, wird bei namhaften Konkurrenten sicher besser aufgehoben sein. Aber tot ist Google+ sicher nicht. Dann würde mein Handy nicht in diesen Intervallen so vertraut brummen! Es ist wie so oft im Leben alles eine Frage der Perspektive.