Dass ich ein Faible für Hörspiele und auch Hörbücher habe, dürfte der geneigte Leser längst wissen. Am Sonntagabend bin ich dieser Leidenschaft auf eine ganz besondere Art und Weise nachgegangen. Ich war seit einem gefühlten Jahrhundert mal wieder im Theater.
Hörspiel und Theater? Ja, was denn nun? – Beides! Ja, liebe Freunde der gepflegten Unterhaltung durch einen ungepflegten Autor, das kann man durchaus kombinieren. Apropos kombinieren: Kriminalgeschichten liegen in der Vielzahl an Genres, die ich über die unterschiedlichsten Medien konsumiere, ganz weit vorn. Da ist von A wie „Agatha Christie“ bis Z wie … zum Teufel nochmal, jetzt fällt mir kein Hörspiel mit Z ein … Na dann eben W wie „WDR Radio Tatort“ alles dabei.
Um was geht es eigentlich?
Zu den besten Hörspielen gehören meiner Meinung nach diejenigen, die nur oder zumindest in erster Linie für diese Art Medium geschrieben wurden. Ableger von Filmen beispielweise können nett sein, sind aber über ihre Vorlage zu sehr daran gebunden manche Dinge der Vorlage statt dem Medium anzupassen. Ein reines Hörspiel besticht durch exzellentes Ausnutzen akustischer Möglichkeiten der „Illustration“. – Eine Kunst, die mehr und mehr verlorengeht.
Aus diesem Grund habe ich auch ein Faible für Hörspiele aus Zeiten, in denen es entweder noch keine Fernseher gab oder zumindest kaum jemand einen daheim stehen hatte. Dazu zählen unter anderem auch die Geschichten um den Hobby-Detektiv und eigentlichen Schriftsteller Paul Temple, die Francis Durbridge in den 30er Jahren für die BBC schrieb. Ab 1949 wurden viele der Geschichten ins Deutsche übersetzt und fanden den Weg in unsere Radios. Leider sind nicht alle Aufnahmen erhalten geblieben. Doch ein paar kann man heute noch erwerben. Von einem besagter nicht erhaltenen Fälle ist inzwischen das Manuskript wieder aufgetaucht. Grund genug für Bastian Pastewka es zu adaptieren und eine Neuauflage zu produzieren. Dies gibt es natürlich als Hörspiel für den heimischen Audiogenuss zu kaufen. Aber er ist aktuell mit den vom ihm liebevoll als „Komplizen“ bezeichneten Sprecherinnen und Sprechern auf Tour durch die Theater der Bundesrepublik. Doch lassen wir es den Meister doch selbst erläutern:
Im folgenden Video erklärt Pastewka nicht nur auf humorvolle Art und Weise wie ein Paul Temple-Hörspiel funktioniert, sondern verliert auch ein paar Worte bezüglich seiner ganz eigenen Rekonstruktion.
Was für ein Theater…
Und so kam es also, dass ich mich am Sonntag ins Theater aufmachte. Die Karte hatten mir meine Eltern zu Weihnachten geschenkt und sie waren ebenfalls mit von der Partie.
Als Hörspielfreund kenne ich natürlich die Auftritte der „Drei Fragezeichen“ und auch Audioaufzeichnungen von Live-Auftritten aus anderen Serien. Insofern war es eine ganz eigenartige Mischung, die meine Erwartungshaltung prägte. Denn da gibt es einige Arten der Umsetzung. Doch Pastewka und „Komplizen“ lehrten mich, dass es mindestens noch eine weitere gibt.
Wer unvoreingenommen noch eine der ausverkauften Aufführungen besuchen wird, sollte an dieser Stelle erst danach weiterlesen. Denn ganz detaillos kann ich den Abend nicht beschreiben. Aber ich werde nur auf die Art der Darbietung eingehen.
Das Ensemble rund um Bastian Pastewka – namentlich Cathlen Gawlich, Janina Sachau, Alexis Kara und Kai Magnus Sting – ist für dieses Stück absolut PERFEKT zusammengestellt! Ja, das ist ein absoluter Begriff und ich meide solche Aussagen nach Möglichkeit. Aber ich kann es nicht anders ausdrücken. Witziger Weise ist die Besetzung nicht immer dieselbe. Da ich aber aktuell die Aufnahme noch nicht habe, kann ich nur über die Besetzung der von mir besuchten Aufführung am 25.01.2015 im Theater am Kurfürstendamm in Berlin schreiben. Es ist einfach so, dass ausnahmslos alle „Komplizen“ stimmlich so ideal zu den jeweiligen Rollen passten, dass es mich schon ein Stück weit schockierte. Ob Alexis Kara als Charlie, Kai Magnus Sting als Sir Graham Forbes oder Janina Sachau als Temples charmante Frau Steve. – Die einzige Stimme, die rein von der Vorlage aus den Originalproduktionen nicht hineinpasste war die von Pastewka selbst als Paul Temple. Aber das spielte eine untergeordnete Rolle, denn es gehörte ja zur Erzählweise, dass Bastian letztlich wie er selbst klang. Doch der Reihe nach:
Vor Beginn konnte man die Bühne in aller Ruhe in Augenschein nehmen und stellte folgende Dinge fest: Fünf Schauspieler(innen) (noch nicht da ;D ), fünf Sitzplätze, alle umgeben von derlei Utensilien, wie sie Geräuschemacher zu benutzen pflegen. Das roch förmlich schon zu diesem Zeitpunkt nach einem äußerst illustren Schauspiel. Ich habe auch ein Foto von diesem Aufbau. Allerdings musste ich wieder einmal feststellen, dass mein Handy für derlei Lichtverhältnisse nicht zum Fotografieren konzipiert wurde. Auf Wunsch reiche ich die miserable Aufnahme aber gerne nach.
Ja, alle fünf Schauspieler(innen) machten die gesamte Geräuschkulisse – mit Ausnahme der Musik – selbst. Wer schon einmal einen Geräuschemacher bei der Arbeit beobachtet hat, dürfte eine ungefähre Vorstellung davon haben wie schwierig es ist, das richtige Timing zu haben. – Ganz abgesehen vom ideal getroffenen Geräusch. Da man als Zuschauer nicht jeden Patzer erkennen kann, komme ich auf gerademal zwei nicht ganz getroffene Stellen – und die wurden hervorragend humorvoll überspielt. Das ist der helle Wahnsinn und ich ziehe meinen nicht vorhandenen Hut vor dieser Leistung!
Erzählt wird die Geschichte so, dass Bastian sich mit ein paar Freunden trifft, ihnen begeistert von Temple, Durbridge, dem wiedergefundenen Manuskript erzählt und sie dazu überredet es mit ihm zusammen zu lesen. Es gibt folglich immer wieder Unterbrechungen, in denen das Gelesene humorvoll und kritisch rekapituliert wird. Eine Geschichte zum Anfassen sozusagen. Denn wenn man sich die Requisiten wegdenkt, hat man das Gefühl in ein Wohnzimmer zu schauen, in denen sich ein illustrer Freundeskreis anhand der vorliegenden Texte unterhält und amüsiert. Dazu kommen noch Gesangseinlagen im für Temple-Hörspiele obligatorischen verruchten Club.
Fazit
Auch wenn ein flüchtiges Überfliegen der verschiedenen Rezensionen zur CD-Version ein eher durchwachsenes Urteil wiedergibt, so ist die Bühnenfassung in meinen Augen einfach genial! Ich hatte einen fantastischen Abend und höre seit Sonntag alle mir vorliegenden Temple-Hörspiele von damals rauf und runter. In ganz wenigen Orten soll es wohl noch die ein oder andere Eintrittskarte geben. Wer auch nur Pastewka und / oder Kriminalgeschichten mag, dem lege ich ans Herz – sofern möglich – eine Aufführung zu besuchen. Es spielt keine Rolle ob man Durbridges Werke schon kennt oder nicht. Es ist ein überaus unterhaltsamer Mix aus Spannung und Humor, der mit einer Leichtigkeit erzählt wird. Sollte die Tour verlängert oder wiederholt werden, würde ich auf jeden Fall versuchen erneut in diesen Hochgenuss zu kommen!
Die Zeit und das Genre werden gleichermaßen auf die Schippe genommen wie demütig verehrt. Und ich kann es nicht in Worte fassen wie man das gleichzeitig hinbekommt. Aber es ist ganz offensichtlich machbar.
P.S.
Nicht jeder mag Bastian Pastewka so nerdig wie er nunmal ist. Ich persönlich liebe ihn genau deswegen (u.a.). Auch ich werfe gerne mal mit mal mehr, mal weniger passenden Zitaten aus Film, Hörspiel, Buch und Co. um mich. Ich bin auch ein Fan von Nischenwissen, so unnütz es oftmals zu sein scheint. Doch an sein Repertoire komme ich nicht annähernd heran. Doch egal wie man zu ihm stehen mag, ich persönlich kann mir keinen besseren vorstellen genau so etwas aufzuziehen. Vielen lieben Dank, lieber Bastian Pastewka! Für Dich und dieses grandiose Schauspiel!
Dem Herrn Rezensenten
einen Dank für den Tip,
so locker & persönlich
& informatief.
Naja, und einen Gruß!
Gern geschehen, Hermann!
Hi Gregor, prima Beitrag. Danke. Also neugierig bin ich jetzt schon. Und Hörspiel-Geräusche im Live-Betrieb sind tatsächlich eine Herausforderung. Schönes Wochenende für Dich und Deine Leser. Ing:o)
Danke fürs Teilhaben lassen
Aber gerne doch, Broti!
Von meiner Seite Dir und all den lieben Menschen hier auch ein schönes Wochenende, Ingo
Hörspiel mit “Z” : Professor Zamorra
Die Hefte fand ich auch nicht schlecht
Na, Broti, das mit dem Alphabet üben wir aber nochmal, oder? Heißt ja nicht Zofessor Pramorra