Das Wochenende hat begonnen und Dein Kopf sollte damit hoffentlich ein wenig freier sein.
Ganz in diesem Sinne ist die Frage, meiner Meinung nach, heute auch mal etwas komplexer.
Aber Du kannst ganz beruhigt durchatmen: Das mit dem Denken muss ich hier jetzt erstmal erläutern. Du kannst Dich ganz gemütlich zurücklehnen und lesen.
Hier nun die Frage vom lieben fotografischen Adlerauge Hermann:
Denkst du als Informatiker auch außerhalb deines Berufsalltags in anderen Mustern / Wahrnehmungsstrukturen?
Nun, ich würde schon sagen, dass die Herangehensweisen aus dem Berufsalltag im Laufe der Zeit auf die anderen Lebensbereiche abgefärbt haben.
Als Entwickler bist Du ja letztlich ein Problemlöser. – Natürlich nicht aus Don Corleones Gefolge!
Aber letztlich gilt es immer ein Problem bzw. eine Problemstellung zu lösen. Ob das Problem nun „Ich möchte im Internet schriftliche Beiträge veröffentlichen ohne auf eine öffentliche Plattform angewiesen zu sein“ oder „Hilfe, beim Berechnen des Nettobetrags gibt es einen Rundungsfehler, der so schnell wie möglich und auch rückwirkend korrigiert werden muss“ lautet, spielt dabei keine Rolle. Es zählt nur, dass eine möglichst an die jeweiligen Bedürfnisse angepasste Lösung her muss.
Diese Denkschablone verinnerlicht man recht schnell. Leider fehlt mir im Alltag natürlich der passende Editor oder ein Backup. Aber selbst das zu vermissen gehört für mich schon in die Schublade des Abfärbens.
Es ist natürlich nicht so, dass ich jetzt (binären) Code a la Matrix vor Augen habe, wenn ich durch die Gegend schlendere. Aber der Versuch ein jedes Problem auf ein Minimum im Sinne seines Kerns zu reduzieren ist schon tief verwurzelt.
Umgekehrt macht man sich aber auch über die Nachhaltigkeit von Lösungen Gedanken. Funktioniert das auch noch, wenn Fall X eintritt. Da bekommt man dann auch mal zu hören, dass man etwas verkomplizieren würde. Das mag auch den Anschein machen. Doch für mich mache ich eigentlich nichts weiter als einen komplexeren Grad der Sicherheit, die ja normalerweise in unser aller Bestreben ist, zu erreichen.
Wie Du in Deiner Frage richtig sagst, sind es Denkmuster, die sich im Gehirn etablieren.
Eine weitere Folge sind meiner Meinung nach auch Gedankensprünge. Man unterhält sich über ein bestimmtes Thema. Ein Satz, ein Wort, irgendetwas daran spricht eine Assoziation an. Doch ehe man diese wahrnimmt, ist der Sprung zum Ursprung der Assoziation schon gemacht. So geht es mir jedenfalls oft. Der Witz ist, dass ich die Assoziation selbst oft nichtmal beschreiben oder nennen kann. Ich kenne meist nur den Auslöser und das Ziel meines Sprungs (ganz ohne Schüssel ).
Eines jeden Menschen Gehirn arbeitet sehr intuitiv basierend auf Erfahrungswerten und daraus gebildeten Mustern zusammen mit den Instinkten, die uns Mutter Natur mit auf den Weg gegeben hat. Und genauso wie ein Mitarbeiter eines Schlüsseldienstes sicherlich andere Vorstellungen von einer sicheren Wohnungstür haben wird als ich, übernehme ich natürlich meinerseits Erfahrungswerte und darauf basierende Denkmuster in den Alltag.
Doch unterm Strich hört sich das alles verrückter an als es letztlich ist. Denn ganz platt gesagt, machen Computer auch nur das was der Mensch ihnen eintrichtert. Somit stellt sich die Frage nach Henne und Ei. Wer färbt auf wen ab? Wo liegt der Ursprung?
Nehmen wir mal die objektorientierte Programmierung als Beispiel. Gleich welche Programmiersprache man nun auch benutzt, das Prinzip ist das gleiche. Und dieses Prinzip versucht die uns allen bekannten Muster aus der Natur in die Entwicklung zu übertragen. Nur, dass es in der Systematik der Biologie Reich, Stamm, Klasse, Ordnung, Familie und Gattung heißt. In der Programmierung hat man dann Objekte, die einer Klasse angehören. Klassen können verwandt sein und Eigenschaften nach unten vererben. Und so weiter. Ich will da gar nicht ins Detail gehen.
Das war jetzt ein sicherlich wirrer Einblick in meinen Schädel.
Aber es fällt mir ehrlich schwer das in Worte zu fassen.
Doch um auf Deine Frage zurückzukommen, Hermann: Ja, ich denke, dass meine beruflich bedingte Art zu denken auch Einfluss auf die restlichen Lebensbereiche hat. Aber ich glaube nicht ansatzweise, dass das irgendetwas anderes ist als bei jedem anderen Menschen auch. Du, Hermann, zum Beispiel wirst die Welt auch ohne Kamera durch eine Linse sehen. Deshalb siehst Du nichts anderes als wir. Aber Du siehst es doch anders. – Dennoch wird man Deine Sicht beim Betrachten des Bildes intuitiv nachvollziehen können ohne jemals selbst ein Foto gemacht zu haben!
Und damit schicke ich Dich und Dich und Euch alle in ein hoffentlich unkompliziertes, entspanntes Adventswochenende! Denkt, ganz gleich in welchem Muster, an Eure Liebsten. Und egal was wir beruflich machen, woher wir auch kommen, woran wir glauben: Letztlich sind wir alle Objekte derselben Klasse…äh…alle nur Menschen!
Zwei Tassen vom schwarzen Heißgetränk, lieber Gregor, und dabei Deinen Text lesend – ja, jeder ist in seinem Schädel gefangen und legt sich so auch seinen Weg an, mit der Welt klarzukommen, sie in persönlichen Häppchen zu erfassen & vermeintlicherweise zu verstehen. Und so gesehen hat jeder für sich seine Wahrheit. Das hilft.
Mathematik, Informatik – liegen mir fern. Nahe lag also mein Verdacht, Menschen, die in just jenen Unterwelten zuhause sind, sehen die Wahrewelt speziell gemustert, versuchen sofort, das Chaos fachlich versiert(er) zu ordnen. Sicher, jeder sieht’s mit seinen ureignen Augen und wünscht sich Ordnung. Doch manche gehen anders weiter:
„An Ideen für weitere Algorithmus-Foto-Projekte fehlt es Shiry Ginosar nicht: Sie träumt (…) von einer Welt, in der Algorithmen es uns ermöglichen, unsere visuelle Welt zu ordnen, zu verstehen und zu bewahren.”
Quelle : http://www.netzpiloten.de/algorithmus-fotografie-berkely-studie/
Mir fehlt das Verständnis für Alcoholrithmen, sorry: Algorithmen, und damit wohl ein wichtiges Handwerkzeug. Also sehe ich meine Welt wie gewohnt (auch ohne Kamera) durch meine Linse – und ich bin beruhigt, daß wir alle dieselbe Welt sehen könnten. Dann wären Verständnis und Einigkeit in manch bedeutender Frage vielleicht ein Stückchen nähergerückt. Aber damit schliddere ich in Richtung einer Utopie, die neben dieser romantischen Sicht auch eine arg gefährliche beinhaltet. Jeder pflege also seine Individualität und schätze sie hoch ein und achte die des anderen und bemühe sich um ein gutes Einanderverstehenwollen. Das Wort zum Sonntag.
Lieber Gregor, nun danke ich Dir (nach meinem Querbeetgehusche durchs Weltensichtgetummle) für Deine geschätzte Antwort. Kurzum: ein lesenswerter Einblick. Du darfst Deinen Schädel wieder dichtmachen. Also, ich meine…
…hab ein feines Wochenende und sei herzlich gegrüßt.
Hermann
Hallo Hermann,
nun, dass wir alle dieselbe Welt sehen können halte ich für einfache Wissenschaft bzw. eine Tatsache. Die Utopie sehe ich eher darin, dass wir als Gesamtheit Grundlegendes auch auf dieselbe Art interpretieren.
Aber Du hast vollkommen Recht damit, dass dies ein gänzlich anderes Thema ist. Dennoch unterschreibe ich Dein Wort zum Sonntag gern!
LG
Gregor
P.S.: Zu Deiner Frage nach der Frage
Es sei Dir gesagt, keine Frage wird unbeantwortet bleiben!
Nachsatz.
Bin nach dieser zeilenintensiven Vorlage von Dir ziemlich gespannt auf Deine Antwort auf meine zweite Frage. Falls Du an jenes dann doch lockerere Bärlin-Kiez-Zeitensprung-Thema überhaupt herangehen möchtest
Und solltest Du noch weitere Fragen gefragt haben wollen, so frag.
Fraglos bekämst Du dann die fraglichen Fragen.
Keine Frage.
Frag.
… boah.