Jetz redn wa Tacheles!

Heute möchte ich das Thema Berlin fortführen. Die Berliner Schnauze hat ja bereits letzte Woche ihren Weg in meinen Beitrag gefunden.

Doch, ich bin der Meinung, dass sie ihren ganz eigenen Beitrag verdient hat!

Es ist gar nicht so einfach dazu etwas zu erzählen, finde ich. Schließlich kriegt man die Automatismen seines Dialekts ja quasi in die Wiege gelegt. Man spricht so ohne darüber nachdenken zu müssen.

Und genau, weil mir das nicht leicht fällt, will ich Dir heute einen etwas anderen Beitrag zusammenstellen. Denn, wenn es um gesprochene Sprache geht und ein Beispiel das andere jagen wird, macht es doch Sinn, wenn Du Dir das Ganze auch anhören kannst, oder? :-)

Wenn Du also magst, kannst Du Dir die folgenden Zeilen einfach anhören, lesen oder beides gleichzeitig. – Viel Spaß in jedem Fall!

Das Berlinern klingt so rau wie die Stadt, manchmal auch etwas prollig. Ich persönlich habe, wenn ich darüber nachdenke, das Bild von einem älteren Kutscher vor Augen. Der vom Bock, also bildlich von oben herab, dem Passanten erläutert, dass sein Problem ganz woanders liegt, als darin den Weg nicht zu finden. :D

Was beim Berlinerischen auffällt, sind die Lautverschiebungen. Insgesamt ist man ganz offensichtlich darum bemüht alles klanglich etwas runder zu sprechen. Also eher weiche Laute zu nutzen. Scharfe Laute werden gerne umgangen.

Ein paar kleine Beispiele wären „nich“ statt „nicht“ oder „nüscht“ statt „nichts“.

Das „g“ wird durch „j“ ersetzt. Das konsequent durchzuziehen, fällt manchem so schwer wie das Bayerische. – Glaubst Du mir nicht? Na dann versuch mal meinen Namen berlinerisch auszusprechen! :D

Doch unter anderem das „ick“ statt „ich“ fällt dabei etwas aus dem Rahmen. Es unterstreicht charmant die kantige Art mit einem Anflug von Selbstironie.

Hinzu kommen blumige bis hin zu abstrakten Bildern, die man als Bezeichnung für bestimmte Handlungen, Gegenstände oder Zustände verwendet.

Doch anstatt jetzt einzelne Vokabeln aufzuzählen und den Beitrag in einen Auszug aus einem Wörterbuch zu verwandeln, erzähle ich Dir jetzt einfach eine kurze Geschichte. Zuerst auf Berlinerisch und danach übersetzt ins Hannoveraner Hochdeutsch. :D

Berlinerische Version

Jestern, wa? Da wach ick uff, kiek inn Spiejel: Sone Glüschen im Jesichte!

Wollt ick mir also erstma Kaffe machen. Keena da. Na, son Dreck aba ooch.

Ick mir also anjezojen und raus uffe Straße. Kaum bin ick zur Türe raus, schmiegt sich n Opa Volldampf voraus direkt an meene Seite. Ick kiek ihn an: „Wat rennstn so? Dich hamse wohl mitm Klammerbeutel jepudert.“ Dreh mir um und jeh weita.

Fluppe inne Schnute, jeh ick direkt durchn Tierjarten, zwinker noch de Joldelse zu und uff n Sprung untern Linden. Kaffe Einstein heißt dit Ding, wo ick jedenke wat inne Rübe zu bekommn.

Türe uff, der edlen Jesellschaft anjejrinst und ran anne Buletten.

Wie ick also so in meene Schrippe beiße, fällt ma son Männeken inna Ecke uff. Jedächniswärma uffn Kopp und bei jede Jelejenheit die Bedienung am Belatschan.

Doch, ick mach mir heut n Jemütlichen, sach nüscht und stopp mir noch Stück Schrippe samt Wurscht rin.

Als ick mir wieda vor de Türe uffbaue, scheint mir de Sonne direkt uffen Deez druff. „Allet in Butta“, dachte ick. „Janz Berlin is eene Wolke! Heut fahr ick ma raus. Einfach ma jwd dit Wetta jenießen.“

Übersetzung ins Hochdeutsch

Gestern bin ich aufgewacht und schaute in den Spiegel. Mit Erschrecken stellte ich fest, dass meine Augen ganz schön aufgequollen waren.

Ich beschloss mir erst einmal Kaffee zu kochen. Als ich merkte, dass ich keinen Kaffee mehr im Haus hatte, ärgerte ich mich.

Ich zog mir also etwas an und ging hinaus. Direkt nach Verlassen der Haustür, wurde ich von einem älteren Herren angerempelt. Müde wie ich war, fragte ich ihn, warum er es so eilig hat und ob er denn noch ganz bei Sinnen wäre; wartete die Antwort aber nicht ab und ging weiter.

Rauchend durchquerte ich den Tiergarten, warf einen Blick auf die Siegessäule und gelangte auf die Straße Unter den Linden. Das Etablissement, wo ich zu frühstücken gedachte, trägt den Namen Café Einstein.

Ich betrat das Café, grüßte die mich eher kritisch beäugenden Gäste lächelnd nickend und suchte mir einen Sitzplatz.

Während ich dabei war ein Brötchen zu verzehren, fiel mir ein Mann etwas weiter hinten in der Ecke auf. Er trug eine Mütze und schien ein starkes Interesse an der Bedienung zu haben, weshalb er sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit ansprach.

Doch ich wollte heute einen gemütlichen Tag verleben. Also genoss ich weiterhin schweigend mein mit Wurst belegtes Brötchen.

Als ich das Café verließ, trat ich in strahlenden Sonnenschein. „Das ist toll“, dachte ich. „Was für ein schöner Tag. Heute fahre ich weit raus, um in aller Ruhe das prächtige Wetter zu genießen.“

Dit Ende von dit Janze

Nicht alle Vokabeln sind 1:1 übersetzt. Das geht auch schwer, wenn man beim korrekten Hochdeutsch bleiben will. Aber ich denke, dass ich Dir damit einen kleinen Einblick ins Berlinerische geben konnte, oder?

Doch bevor ich zum Ende komme, möchte ich zwei Dinge loswerden:

Zum einen würde ich mich sehr darüber freuen, wenn Du mir einen Kommentar da lässt. Auch Feedback zur Audio-Version wäre schön! Hat es Dir gefallen? Möchtest Du vielleicht so etwas öfter von mir hören? :-)

Und jetzt möchte ich noch etwas zu den deutschen Dialekten im Allgemeinen sagen.

So unterschiedlich sie auch sind, so merkwürdig sie vielleicht für Außenstehende klingen, gibt es doch ein paar Dinge, die sie alle gemeinsam haben. Nämlich dann, wenn es um schwerwiegende Gefühle geht.

Wolfgang Trepper hat dieses Beispiel in einem anderen Zusammenhang einmal gebracht. Ich möchte das an dieser Stelle aufgreifen.

Auch Du wirst wissen, wie es ist am Boden zu liegen. – Leider! Und es gibt einen Satz, den die Menschen, denen Du etwas bedeutest, die Dir Trost und Wärme spenden wollen, dann benutzen und Dich in den Arm nehmen (wollen). Dieser Satz klingt überall nahezu identisch:

Komm ma her…

Damit möchte ich für heute abschließen. Und wenn Du gerade traurig bist oder eine schwierige Zeit hast, dann hoffe ich, dass ich Dich ein wenig zum Lächeln bringen konnte und sage Dir:

Komm ma her… Ja, komm ma her.

Teilen macht Freu(n)de!
Comic-Bild Gregor

Über den Autor

Ich bin Fachinformatiker, Berliner und ganz offensichtlich ein verrückter Blogger. Je nachdem überwiegt das ein oder andere.

Wer mehr über mich erfahren möchte, kann dies auf der „Über mich”-Seite tun, das Kontaktformular nutzen oder mich in einem der sozialen Netzwerke aufsuchen:

6 Kommentare zu „Jetz redn wa Tacheles!

  1. Hi Gregor,

    klasse, dass Du dieses Thema weiter behandelst, sogar mit Audiodatei, die ich mir später noch anhören werde.

    Deine Geschichte ist schön, da sie neben dem Dialekt auch den Charme und die Atmosphäre unserer Stadt wunderbar transportiert. Obendrauf lieferst Du gleich die Übersetzung als Service für Deine Leser. Feine Sache. ^^

    Selbstverständlich inspirieren mich Deine Zeilen auch. Sprich: Die Kombitherme zündet. ;)

    Ein paar Stichpunkte dazu:

    + Berliner Lieder
    + Grips Theater, Linie 1
    + Französische Einflüsse (Hugenotten)
    + Zille
    + Milieu
    + Kneipen
    + Berliner Speisen

    Allgemein finde ich die Dimensionen oder auch Varietäten unserer Sprache faszinierend: Funktional (etwa in der Fachsprache, dann sehr sachbezogen), regional (Dialekt als Ausdruck und Statement der eigenen Herkunft) und sozial (Dialekt als mögliches Indiz für ein Milieu, dem wir dann zugeordnet werden).

    Als West-Berliner im noblen Norden (Hermsdorf/Frohnau) habe ich Hochdeutsch gelernt und nahezu ausschließlich gesprochen. Das Berlinern war (leider) wegen der vermeintlich dominierenden sozialen Varietät verpönt: “Ey Altaa, kommste ausm Wedding? Kannste Dir nüch rüchtüch artikulier’n oder wat?! Bist wohl ‘n Proll…”

    Das führte oft dazu, dass mir Menschen außerhalb Berlins kaum meine Herkunft anhören konnten oder sogar glauben wollten, was ich dann schon irgendwie — schade (!) fand. XD

    Nach dem Fall der Mauer wurde schnell deutlich, dass unser Dialekt im Ostteil der Stadt ein anderes Ansehen genoss, nämlich wirklich auch das im Sinne der regionalen Varietät. Viele Intellektuelle sprachen und sprechen dort Berlinerisch. Dieser Einfluss schwappte mit den Jahren auch in den Berliner Westen. Gut so, denn dadurch ist unser Dialekt mehr zu dem geworden, was er sein sollte: Ein Ja zu unserer Herkunft, ein kleines Statement oder sogar eine kleine Liebeserklärung an unsere Stadt. :)

    Und zum Komma, ach nein, komm ma her, empfehle ich gern noch folgenden Song aus Linie 1, hier in der von den Beatsteaks interpretierten Version (Marias Lied // Hey Du):

    https://youtu.be/Ud7fzVW9how

    Liebe Grüße
    Ing:o)

    Antworten
    • Hallo Ingo,

      ja, es fehlen noch einige Aspekte Berlins. Keine Frage. Oder doch: Ein Frage der Zeit. ;-)

      Die Hugenotten? Jawohl, sie brachten uns die Bulette! :D

      Ich bin auch nahezu gänzlich hochdeutsch aufgewachsen. Und das als geborener Neuköllner! So richtig berlinert habe ich dann im Zivildienst. Das begann allerdings nicht in Wedding, sondern in Spandau. Es gab und gibt einige Ecken in Berlins Westen, wo das Berlinern Kultur war und ist. Trotzdem verbindet man es eben mit dem prolligen Dasein. Ist eben wie mit vielen Dingen, die nur allzu gern auf die Negativbeispiele reduziert werden.

      Schade :D Ja! (Hach, ich liebe dieses Wort inzwischen! :D )

      Der Mauerfall fand statt, wir wuchsen zusammen. Aber wenn man genau hinhört, hört man immer noch wer von welcher Seite aus berlinert. Und das ist keineswegs böse gemeint. Ist eben historisch so gewachsen. :-)

      Komma? Nun mach aber mal nen Punkt! :D
      Ein schönes Lied. Danke dafür. Meine Antwort halte ich kurz und sozusagen öffentlichrechtlich: Es ist ein Mix aus „Weil Du“ von euch Wundertypen und der Tatsache, „dass es schöne Momente gab“. Danke!

      LG
      Gregor

  2. Hallo Gregor,
    cooler Beitrag, ich liebe Dialekte! Als Süddeutsche hielt ich Berlin früher immer für hochdeutsch :) Ganz schön peinlich, oder?
    Liebe Grüße, Anne

    Antworten
    • Hallo Anne!

      Wieso peinlich? Es gibt ja verschiedene Gebiete im Süden. Manche davon sehen sich eher als gallisches Dorf umgeben von preußischen Lagern. ;-)

      Und doch ist Berlin schon lange hochdeutsch. Berlinern ist eben keine Amtssprache. Wie Ingo schon schrieb, man wird eher kritisch beäugt, wenn man berlinert. Je nachdem wo man sich gerade aufhält. Und seit gewisse Fernsehsender noch gewissere Sendemodelle ausstrahlen, kriegt man außerhalb Berlins sozusagen Tag und Nacht nen Stempel aufgedrückt. :-/

      Aber zurück zu Deinem Kommentar: Ja, Dialekte sind was tolles! Ein Stück Heimat, das man auf der Zunge mit sich tragen kann.

      LG
      Gregor

Schreibe einen Kommentar