Auf die Gefahr hin, Dich aus dem Alltag zu entführen und einen Anflug von schockierter Hektik ausbrechen zu lassen:
Weihnachten kommt langsam, aber sicher, auf uns zu!
Ja, diese Hinweise überhört und überliest man nur allzu gern, desto häufiger sie kommen. Denn irgendwann ist die Frustrationsgrenze durch diese Themenbelagerung schlicht überschritten, man stumpft ab und plötzlich ist das Fest da.
Nun hat es sich in weiten Teilen etabliert, dass sich die Menschen zu diesem Fest (und anderen Festlichkeiten) Geschenke machen.
Und genau darüber – also über Geschenke im Allgemeinen – haben meine Freundin und ich uns vor kurzem unterhalten.
Im Zuge dieses Gespräches hat sie einen wichtigen und richtigen Satz gesagt: „Da solltest Du mal drüber schreiben.“
Gesagt, getan. Heute möchte ich mich mit Dir über das Schenken austauschen. Deshalb werde ich Dir im Folgenden meine Gedanken und Meinung darüber kundtun.
Das Schenken an sich
Ich komme nochmal auf den Anfang zurück: Der Schock, dass Weihnachten plötzlich da ist.
Wo liegt dabei eigentlich der Schreck, der dabei ggf. in die Knochen fährt?
Richtig, in den meisten Fällen ist das Ärgern über das nahe Fest damit begründet, dass man noch nicht dazu gekommen ist, sich für jeden ein Geschenk zurecht zu legen.
Das Schenken wird zur Pflicht.
Woran ich das festmache?
Nun, schauen wir uns doch mal die Sätze an, die da oftmals gesagt werden:
- Ich habe noch kein Geschenk für XY.
- Ach, wir sind ja bei YZ eingeladen. Da brauche ich noch ein Geschenk.
- Zum Glück haben die Geschäfte Heiligabend noch geöffnet.
- Ich muss noch Geschenke kaufen.
Und das sind nur ein paar Beispiele, die in einigen Variationen jedes Jahr zu hören sind.
Warum machen wir Geschenke?
Da stellt sich mir die Frage, warum dieses Schenken so eigentlich erhalten wird bzw. warum man diese Art des Schenkens überhaupt betreibt.
Und damit komme ich so langsam auf die Überschrift des Beitrags zu sprechen.
Denn ich finde, dass man zwischen geben und schenken unterscheiden muss.
Dem Wortlaut nach werden zwar Geschenke gemacht, doch unterm Strich kann man sie über diese beiden Verben durchaus kategorisieren.
Keine Sorge, ich werde das nicht romantisieren und Worte wie Selbstlosigkeit ins Spiel bringen.
Warum?
Ganz einfach. Das sind im Kern absolute Begriffe, die keinen Kompromiss zulassen. Und damit gehören sie meiner Meinung nach in den Bereich der Utopie.
Schauen wir uns also mal an, warum man Geschenke macht. Also, was man letztlich damit für sich selbst bezweckt.
Grund 1: Die Pflicht
Hier sind wir im Bereich von Begründungen wie „Machen wir doch immer so.“ oder „Das gehört sich so.“.
Es geht im Kern also darum ein Geschenk für jemanden zu haben, eben um eines zu haben. – Nicht mehr, nicht weniger.
Eigentlich schade, denn es wird ggf. Wertschätzung signalisiert, die in der Form vielleicht gar nicht existiert.
Klassische Beispiele sind Mitbringsel für Gastgeber oder auch die guten alten Socken.
( Doch im Gegensatz zu Hauself Dobby hält sich die Freude der meisten mit Fußkleid beschenkten eher in Grenzen. )
Grund 2: Nähe, Liebe, Aufmerksamkeit
Gerade beim Beschenken von Kindern ist dies oft ausschlaggebend.
Da wird gerne tief in die Tasche gegriffen um sich temporär in das Blickfeld des Beschenkten einzukaufen.
Doch auch wenn die Sinne zum Zeitpunkt der Geschenkübergabe täuschen können: käufliche Liebe ist und bleibt ein geflügelter Ausdruck für ein Gewerbe.
Dennoch würde ich schätzen, dass ein Großteil des Weihnachtsumsatzes genau hier zu finden ist.
Hier gilt es zu hinterfragen. Sowohl sich selbst, als auch die Beziehung zwischen Schenkendem und Beschenktem.
Grund 3: Um eine Freude zu bereiten
Auch hier geht es nicht selbstlos zu.
Denn das, was der Schenkende erwartet / erhofft, ist die Freude des Beschenkten.
Der Schenkende zieht seine Freude aus der Freude des anderen. Er braucht weder selbst ein Geschenk erhalten, noch ein Schauspiel a la temporärer Umstandsheuchelei.
Doch damit steht auch hier wieder ein Gegenwert im Raum.
Weitere Umstände
Hinzu kommen noch Spielchen wie das Messen der Schenkenden untereinander an den Geschenken, die sie bereiten. Frei nach dem Motto: „Mein Geschenk für XY war das teuerste, größte, schönste, exklusivste, exotischste und so weiter…“.
geben vs schenken – was ist was?
Es ist nicht unbedingt leicht eine klare Grenze zu ziehen. Das gebe ich gerne zu.
Es gibt durchaus jede Menge Grauzone.
Im Alltag sind wir dann zufrieden, wenn es für alles einen gewissen Energieausgleich gibt. – Ganz egal wie der aussieht und von wo der kommt.
Profanes Beispiel im Zusammenleben: Person X wäscht in Abwesenheit von Y allein ab, X bringt unaufgefordert den Müll raus. Aufgaben sind erledigt, jeder hat seinen Teil dazu beigetragen. Sowohl X als auch Y sind zufrieden.
Ich sehe mir das Ganze gern durch das Bild einer Waage an. Schließlich spricht man nicht umsonst davon im Gleichgewicht zu sein, wenn es einem gut geht / gehen soll.
Auf der einen Seite der Waage ist man selbst mit dem, was man tut. Man investiert Dinge. Kraft, Geld, Zeit, Aufmerksamkeit und so weiter.
Auf der anderen Seite sind die Dinge, die einem gut tun. Das kann die Gegenseitigkeit in der Aufmerksamkeit sein; vielleicht auch Geld im Sinne einer Bezahlung. Es gibt unendlich viele Dinge, die einem Menschen gut tun können.
Das Maß ist genauso individuell wie das, was auf die Waagschalen kommt. Denn es geht im Kern nicht darum, dass etwas bestimmtes auf eine Seite gelegt wird, sondern darum, dass der Stellenwert für den Gegenüber positiv ist und damit die Waage ein Gleichgewicht erreichen kann.
Betrachten wir also die drei Gründe nochmal jeweils anhand eines Beispieles um zu schauen, ob es sich noch um geben oder schon um schenken handelt.
Pflicht
Beispiel:
Person X ist bei Y eingeladen. X fühlt sich verpflichtet angesichts des Anlasses und der Einladung Y ein Geschenk mitzubringen. Es ist ja schließlich Weihnachten und es gehört sich so.
Hier ist die Gefahr groß, dass sich die Pflicht wie ein Virus über das gesamte Geschehen ausbreitet.
Person Y fühlt sich verpflichtet, den Aufenthalt derart zu gestalten, dass X sich wohlfühlt, und wahrt dabei ggf. nicht seine emotionalen Grenzen.
Des Weiteren kommt eventuell auch die Pflicht von Y dazu sich freuen zu müssen.
Person X lächelt, obwohl das Ganze über das Geschenk hinaus längst zum Pflichttermin mutiert ist.
Pflichten sind in manchen Bereichen wichtig und richtig um einen Rahmen halten zu können. Doch für den Schritt weg vom Geben hin zum Schenken halte ich Pflicht für Gift.
Meiner Meinung nach sind wir hier immer im Bereich von geben.
Was kann man tun, um dem vorzubeugen?
Austausch, Kommunikation. Wenn X und Y sich vorher über ihre Vorstellungen und Bedürfnisse abgleichen und austauschen steht einem schönen Beisammensein in gelöster Atmosphäre nichts im Weg.
Nähe, Liebe, Aufmerksamkeit
Beispiel:
Der Kontakt zwischen Kind A und Erwachsenem B ist eher sporadisch und oberflächlich. B investiert im Alltag wenig in die Beziehung, wünscht sich aber einen guten Draht bis hin zu Liebe von A.
Was wird also getan?
B kauft das langersehnte, sündhaft teuere Spielzeug, was sich A so sehr wünscht.
Der Lohn ist ein strahlendes Lächeln, leuchtende Augen und vielleicht auch eine Umarmung.
Doch was ist zu Silvester? Oder genereller gefragt: Was verbindet A mit B, wenn man A fragt? Findet das Kind den Erwachsenen nett? Was kann es über ihn aussagen?
In der Regel kann man das mit einer Formel in Satzform zusammenfassen: Die Geschenke sind toll.
Ich finde, dass solche Inhalte, egal wie sie vom Kind (oder wer auch immer beschenkt wurde) nun genau formuliert werden, dem Schrillen einer Alarmanlage gleichen.
Denn letztlich wird die Beziehung zwischen beiden Personen auf materiellen Austausch reduziert.
Und es hat schon seinen Grund, warum A mit dem Namen von B nicht so viel anzufangen weiß wie mit dem anderer Personen im Umfeld.
Denn echte Nähe, gesund begründete Zuneigung sieht eben anders aus und lässt sich nicht erkaufen. Der Versuch korrumpiert maximal das Empfinden beider Seiten hin zu einer Scheinwelt.
Auch hier kann ich mich nicht zum Attestieren von schenken hinreißen lassen.
Was kann man hier vielleicht tun, um daran etwas zu ändern?
Nun, ich denke, dass B überdenken sollte, ob sein Weg der Äußerung von Zuneigung sich für ein tatsächliches Miteinander eignet.
Zwischenmenschliche Beziehungen beziehen ihre Konstanz nicht aus punktuellen Investitionen.
Das gilt im Kleinen wie im Großen, und auch für Groß und Klein.
Freude des Beschenkten
Da es hier nahezu um jede Schenkungssituation gehen kann, lasse ich das Beispiel mal weg, weil es die Sicht zu sehr verengen könnte.
Ich denke, dass man vom Prinzip her noch zwei Fälle unterscheiden könnte, weil die Auswirkungen einen Unterschied machen:
Nämlich ob die beschenkte Person ebenfalls ein Geschenk macht oder eben nicht.
Der schenkenden Person ist es gefühlt erst einmal egal, ob sie auch ein Geschenk erhält.
Wichtig ist ja hier nur die Freude des beschenkten Menschen.
Doch, wenn es keinen Austausch gibt, und es beim einseitigen Geschenke machen bleibt, kann das fatale Folgen haben.
Denn das kann beim Beschenkten durchaus negative Gefühle verursachen.
Das reicht von Beschämtsein bis hin zu tief verwurzelten Minderwertigkeitsgefühlen. Das schmälert – zumindest in der Situation – die Freude und macht das Erlebnis so schnell für beide zum Debakel.
Klassisches Beispiel wäre die vielfach so geschehende Folge einer Verabredung nach dem Motto „Wir schenken uns nichts.“, was von der schenkenden Person übergangen wird, weil sie die Freude des anderen braucht, um sich gut fühlen zu können.
Dennoch denke ich, dass wir uns hier in einem Bereich befinden, wo es in den meisten Fällen emotional für beide Seiten gut laufen kann und oftmals läuft.
Wie dem auch sei, komme ich zu dem Schluss, dass wir uns trotz aller guten Absichten wieder nicht weit genug vom Geben entfernen können.
Entscheidend zum Gelingen der Bescherung kann auch hier Kommunikation beitragen. Denn damit wird zumindest die Situation umgangen, dass die beschenkte Person mit dem Geschenk als solchem überfahren oder überfordert wird.
Worauf ich hinaus möchte
Nun habe ich Gründe und Motive genannt, Beispiele gegeben und könnte an manchen Stellen ohne Frage noch weiter in die Tiefe gehen. Dies würde aber hier den Rahmen sprengen.
Dennoch habe ich nirgends ein „schenken“ attestiert.
Und Du fragst Dich damit zu Recht, worauf ich eigentlich hinaus möchte.
Für mich besteht der Unterschied zwischen geben und schenken darin, dass man beim Schenken ein Geschenk machen will.
Und zwar ohne eine Begründung. Das „weil“ bezieht sich nur auf den Willen zu schenken.
Ein Ausgleich ist nicht notwendig, weil es gefühlt auch keine Investition ist.
In diesem Sinne wünsche ich Dir – so oder so – an dieser Stelle schon einmal eine schöne Bescherung.
Hallo Gregor,
das kostbarste Geschenk ist wohl Zeit! ? Und ja, das Brainen macht Spaß mit Dir und Dein Artikel ist wieder toll geschrieben!
Liebe Grüße, Ulrike
Hallo Ulrike,
ja, Zeit zu schenken ist ein Geschenk, dass sich nicht vergleichen lässt. Es drückt alles aus, was man für einen Menschen empfindet.
Danke für die lieben Worte. Ja, ich schätze es auch mit Dir die Welt gedanklich in analysierbare Einzelteile zu zerlegen. Und sei auch nur um festzustellen, dass man etwas nicht analysieren kann, weil es von sich aus besteht und sein darf.
LG
Gregor
Schöner Artikel! Bin über Facebook drauf gestossen.
Ja, das mit der Schenkerei ist so eine Sache. Bei uns hat sich das grundlegend geändert, seit Kinder da sind. Bei uns und auch bei unseren Freunden. Denn vorher war es tatsächlich ein gegenseitiges Schenken-Müssen.
Jetzt sind die Kinder da, und ich weiß nicht, aber irgendwie ist es da einfach so, dass man ihnen gerne etwas schenkt. Und zwar eben nicht nur, um Eindruck zu schinden, oder sich beliebter zu machen (Denn wie du schon geschrieben hast, nehmen Geschenke da einfach einen Einfluss darauf. Wenn Kinder jemanden nicht mögen, dann mögen sie ihn nicht. Auch wenn er ihnen das heißersehnte Kettcar schenkt.) Nein, wir machen ihnen einfach gerne eine kleine Freude. Sowohl den Eigenen, als auch den Kindern der Freunde. Das sind allesamt liebe Kerlchen, die ich gerne mag.
Mein Mann und ich schenken uns schon lange nichts mehr. Also zumindest nicht zu den offensichtlichen Gelegenheiten. Nein. Aber es kommen so immer wieder mal kleine Aufmerksamkeiten. Ganz spontan. Und das ist viel schöner. Denn der Beschenkte hat keinerlei Erwartungshaltung und der Schenkende hat eben ganz spontan einfach etwas besorgt, weil er es wollte. Und nicht, weil gerade Valentinstag ist oder Weihnachten vor der Tür steht.
LG, Tina
Hallo Tina,
schön, dass Du den Weg hierher gefunden und Dir die Zeit für einen Kommentar genommen hast! Danke dafür!
Das, was Du schilderst, hört sich gesund an. Sowohl als erkannte Weiterentwicklung, als auch wie Du das Jetzt beschreibst. Es geht eben darum schenken zu wollen.
LG
Gregor
Sehr schöner Beitrag – dass du nicht durcheinander gekommen bist mit deinen Buchstaben, hat schon was
Ich halte absolut NICHTS von diesen Pflichttagen des Beschenkens (mit Ausnahme, wenn die eigenen Kinder dabei eine Rolle spielen). Ich persönlich freue mich immer wie “ein kleines Kind”, sollte ich mal eine Kleinigkeit, an einem x-beliebigen Tag erhalten. Ich kann mich auch ganz dolle über Gesten freuen, ein Lächeln oder eine Umarmung. Die geben meistens viel mehr, als ein materielles Geschenk.
Grad mit der Abmachung “Wir schenken uns aber nichts”, aber ich schon sehr bittere und böse Erfahrungen gesammelt. Solche Abmachungen sollte man niemals treffen, wenn sie nicht aus der innersten Überzeugung stammen.
Seit ich der “einsame” Einsiedler geworden bin, habe ich dieses Problem nicht mehr. Bin ich ganz froh drüber, obwohl ich im tiefsten Inneren, diesen Lichterglanz und die Besinnlichkeit, ganz gerne mag. Würde ich aber niemals zugeben
Lieben Gruß Ede
Hallo Ede,
zunächst einmal sorry, dass Freigabe und Antwort so lange auf sich haben warten lassen. Ich war doch reichlich indisponiert diesbezüglich.
Ja, solche Reihen an Fallbeispielen sind nicht zwingend einfach auseinander zu halten. Letztlich ist es eine Frage der Übung.
Soll ja Berufe geben, wo man öfter mal etwas erklären muss.
Danke für Deine persönliche Schilderung. Ja, Versprechen gleich welcher Art benötigen Verlässlichkeit bzw. erzeugen sie, sofern sie gehalten werden. Gerade mit dieser Absprache ist schon viel Unfug gemacht worden. – Und das oftmals unnötig, wenn alle Beteiligten ihre Bedürfnisse klar artikuliert hätten.
Ich wünsche Dir von Herzen, dass es in Deinem näheren Umfeld genug Menschen gibt, die dem „Einsiedler“ gedenken und Dir eine Freude bereiten. – Ganz gleich zu welchem Anlass.
LG
Gregor