Filter-Stream ist wie Filter-Kaffee

Foto von einem Smartphone mit diversen Social Media Apps
Social Media
Quelle: pixabay

Heute möchte ich mich mal ein wenig auskotzen.

Aus meinen Prioritäten heraus investiere ich schon eine Weile nicht mehr so viel Zeit wie früher in Social Media. – Sowohl privat wie auch mit dem Blog.

Zum einen ist das schlicht ein Zeitfaktor. Zeit ist eine klar begrenzte Ressource, die jeder einmalig verteilen kann.

Darüber hinaus nerven mich die Netzwerke – egal welches – gerade extremer als sonst.

Warum?

Nun, wir begegnen im Laufe unseres Lebens immer wieder Personen, die sich anmaßen unsere Bedürfnisse im Detail zu kennen. – Das ist allerdings von unserer Mithilfe abhängig. Denn nur, wenn wir sie offen kommunizieren, kann der Gegenüber sie auch kennen.

Im Normalfall kann sich jeder nur ein Bild dessen machen, was und wie es gezeigt wird. Was weggelassen wird, ist unsichtbar und damit auch nicht greifbar.

Nun, die Werbeindustrie arbeitet ja schon eine ganze Weile nach dem folgenden Prinzip. Es werden Profile erstellt, Verhalten aufgezeichnet und ausgewertet, Muster werden prognostiziert, Vorschläge gemacht und die geschaltete Werbung in Erfolg und Misserfolg gemessen.

Das ist bekannt und die Daten nur in sehr, sehr seltenen Fällen so vollständig, dass es ein exaktes Bild vom Kunden ergibt, obgleich mit steigender Tendenz.

Auch wenn die Frage nach diversen Karten an der Supermarktkasse genauso nervt wie Werbebanner für Produkte, die ich in diesem Leben niemals erwerben werde geschweigedenn will, sind das Dinge, mit denen ich leben kann. Denn hier kann ich aktiv nein sagen, wenn ich es nicht möchte.

Wo bei mir die Grenze erreicht ist, ist, wenn Unternehmen wie Facebook, Google und Co. der Meinung sind zu wissen, was mich an den Menschen in meinen Kontakten interessiert bis hin dazu wer davon mich interessiert.

Bild eines Gesichtes hinter binären Zahlen
Kennt Dich das Netzwerk per Analyse?
Quelle: pixabay

Die Systematiken der Netzwerke sortieren die Beiträge, geben Ihnen anhand der über das Verhalten des Nutzers erfassten Daten eine Bedeutung. Sie blenden manche weiter oben ein, andere komplett aus, sodass sie von manchen nur gelesen werden können, wenn man per Hand seine Kontakte aufruft.

Ich finde es geradezu pervers, dass man für mich meinen Stream gewichtet. Wozu?

Liebe Unternehmen, versteht mich nicht falsch. Ich habe kein Problem damit, dass das Nutzerverhalten im gesetzlichen Rahmen ausgewertet wird. Ganz im Gegenteil. Daraus können durchaus sinnvolle Schlüsse gezogen werden was Usability und viele andere relevante Bereiche für ein gutes Nutzungserlebnis angeht.

Was ich nicht verstehe, ist, wie man auf der Basis der über mich erfassten Daten auf mein Inneres schließen will. Und das mit der festen Überzeugung, dass ich als Nutzer nach Meinung der Unternehmen sogar will, dass man mich bevormundet.

Natürlich gibt man dem Nutzer diverse Werkzeuge zur Hand, damit er von sich aus das falsche Bild stetig aktuell halten kann.

Ja klar! Ich habe den lieben langen Tag nichts besseres zu tun als den Datenbestand der Betreiber Sozialer Netzwerke aufzubessern und zu füttern.

Screenshot aus Facebook von der Option „Beitrag verbergen“
z.B. Steuerungsfunktion in Facebook

Abgesehen davon sind diese Optionen teilweise sehr undurchsichtig in ihren Auswirkungen. Worauf bezieht sich die Angabe, dass ich Beiträge eines bestimmten Typs nicht mehr sehen möchte? Wie ist der Beitrags-Typ definiert? Auf den Autoren? Auf den Inhalt? Auf die Uhrzeit? Auf die Tatsache, dass ein Link enthalten ist? Dass es ein Link auf eine bestimmte Seite ist? Was wird mir in Zukunft nicht mehr angezeigt?

Ich verstehe nicht, warum man den Nutzern nicht eine echte Entscheidung überlässt. Denn rein technisch sind die Möglichkeiten dafür nicht nur da, sondern auch in Umsetzung und Steuerung primitiv.

Und der Clou: Eine Auswertung des Nutzerverhaltens entfällt dadurch nicht. Mit wem, wie und wie oft man interagiert ist weiterhin klar ersichtlich und kann für die zielgerichteten Vorschläge / Werbung problemlos genutzt werden.

Ob ich nun 2 oder 150 Kontakte habe, obliegt allein mir. Und ich möchte Benutzern beim Knüpfen von Kontakten auch eine gewisse Absicht unterstellen.

Über Listen, Kreise – oder wie auch immer man die Schubladensysteme nennen möchte – kann man seine Kontakte auch strukturieren.

Einem individuellen Genuss ihrer Nachrichten steht also nichts im Weg.

Ach doch, der vorgesetzte Filter.

Ich vermisse die Zeiten, in denen der Stream noch ungefiltert und chronologisch war.

Foto von einem Glas Latte Macchiato
Lecker! Latte Macchiato!
Quelle: pixabay

Denn wenn ich den Stream selbstständig zusammenstellen und Beiträge gewichten kann, ist es eben nicht nur Filter-Kaffee wie im Titel beschrieben. Dann ist es ein leckerer Latte Macchiato. Und ich kann selbst definieren, was der Milchschaum ist, wie viel davon sich auf dem Kaffee befindet, wie das Mischverhältnis zwischen Kaffee und Milch ist, wie viel generell im Glas ist und so weiter. :kaffee: :-)

Und ich muss sagen, dass ich so manchen Trend automatisierter Auswertung nicht nur als beschneidend, sondern sogar als gefährlich ansehe.

Wir wissen seit ihrer Existenz, dass Spamfilter zum Beispiel nicht 100% korrekt arbeiten können. Dennoch lassen sich manche von Unternehmen automatisiert den Posteingang mit Gewichtung und anderen persönlichen Wertungen basierend auf einer Analyse aufbereiten.

Ob man das Briefgeheimnis eigenständig aushebeln und seine Post auswerten lassen möchte, muss jeder für sich wissen.

Doch eines steht außer Frage: Keine Maschine und kein Mensch wird Deine Bedürfnisse je besser kennen können als Du selbst!

So, das musste jetzt mal raus! :-)

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Comic-Bild Gregor

Über den Autor

Ich bin Fachinformatiker, Berliner und ganz offensichtlich ein verrückter Blogger. Je nachdem überwiegt das ein oder andere.

Wer mehr über mich erfahren möchte, kann dies auf der „Über mich”-Seite tun, das Kontaktformular nutzen oder mich in einem der sozialen Netzwerke aufsuchen:

6 Kommentare zu „Filter-Stream ist wie Filter-Kaffee

  1. Hallo Gregor,
    ich kann Deinen eingeschränkten Konsum der sozialen Kanäle nur zu gut verstehen. Wer hier den Absprung verpasst, denkt, was Andere wollen. Ich habe mich mittlerweile nahezu komplett von den sozialen Medien verabschiedet. Es hat mich genervt, dass ich in meinem Stream die Beiträge meiner Freunde suchen musste, Werbung, Produktplazierungen, Top-Postings usw. dabei überwogen und priorisiert dargestellt wurden. Und das ohne eine Chance zu entkommen.

    Aus Sicht des Bloggers ging es am Ende nur noch um Klickzahlen, User-Verweildauer, plattform- und kanalübergreifendes Crossposting und SEO-Optimierung. Es hat genervt und von meinem ursprünglichen Antritt des bloggens abgelenkt. Es kamen kaum noch Beiträge, die meine Meinung widerspiegelten aber zunehmend Postings, die die Leser “wollten”. Mit den sozialen Profilen habe ich also direkt meinen damaligen Blog “Living memory by menschenwerk” gelöscht.

    Etwas später startete ich mit “A Few Words” neu, war aber scheinbar im Kopf noch nicht ganz weg von Facebook und Co. So erwischte ich mich direkt nach 3 Monaten wieder beim anlegen sozialer Profile und stetigen Zeitaufwand beim durchscrollen meiner Timelines. – Cut – Auch hier der harte Weg des Löschens.

    Mittlerweile genieße ich die neu gewonnen Zeit. Mein Blog entspricht nach und nach dem Bild, das ich in meinem Kopf habe. Ohne Social Media. Ich reduziere mich mittlerweile ausschließlich auf meinen RSS-Reader und die abonnierten Blogs. Und – ok ich gebe es zu – ein “soziales Netzwerk”. Ich nutze Reddit, aber nur um den Pulsschlag der Welt nicht zu überhören.

    Industrie 4.0 ist ok, Leben 4.0 auch. Das Problem ist der Mensch. Wir sind noch nicht bereit für Mensch 4.0.

    LG, Patrick

    Antworten
    • Hallo Patrick,

      ja, von Deinen Blogxits sozusagen habe ich mitbekommen. So weit geht es bei mir nicht. Für mich musste nur mal die Luft raus. :-)

      Ändert allerdings nichts an Zeit und Prioritäten. Und ich denke, dass es für jeden eine individuell passende Lösung gibt. Die Marketing-Mechanismen lasse ich erstmal außen vor.

      Es ist schön zu hören, dass Du für Dich einen Weg gefunden hast, der Dir zusagt! :-)

      Ja, Mensch 4.0 ist noch eine ganze Weile in der Beta-Phase. Inwieweit wir den Release noch miterleben steht in den Sternen. Doch höchstwahrscheinlich werden uns diese Menschen mitleidig belächeln und uns Handys mit Tasten so groß wie Euro-Münzen in die Hand drücken. ;-)

      LG
      Gregor

  2. Wo er Recht hat, hat er Recht … :)
    Der Absprung darf nicht verpasst werden – oder zumindest sollte man einmal sein Social Media Verhalten überdenken und ggf. die Bremse treten.
    Sehr schönes Argument mit der Zeit, die begrenzte Res­sour­ce, die wir jeweils nur einmal vergeben können.
    Dampf ablassen macht den Kopf frei und könnte zu Veränderungen führen. (manchmal auch nicht :) )
    Es ist faszinierend auf der einen Seite, aber auch sehr, sehr erschreckend, was so alles möglich ist.
    Herzliche Grüße Ede

    Antworten
    • Hallo Ede,

      was da an Systematiken abläuft ist eine ziemliche Grauzone aus Bevormundung und dem beidseitigen Wunsch nach einem schönen Nutzunsgerlebnis. Das Ergebnis ist für mich nicht befriedigend.

      Was generell in diesem Bereich von Auswertung und Automatisierung passiert, ist eine ganz schwierige Kiste. Erst recht dann, wenn man darum weiß, was passiert und wie die Zusammenhänge sind.

      Ich stehe mit mir selbst und Menschen, deren Feedback mir in vielerlei Hinsicht wichtig ist, in ständigem Austausch. Ich denke, dass das immens wichtig ist um konstruktiv mit allen Aspekten umgehen zu können. Einen Ausstieg habe ich weder geplant, noch ziehe ich ihn in Erwägung. Es ging mir nur darum zum einen Dampf abzulassen, damit Druck vom Kessel zu nehmen und gleichzeitig auch mal aufzuzeigen, wo ich Gefahr und Beschneidung sehe.

      LG
      Gregor

  3. Den Gefahren ist sich leider kaum jemand bewusst oder sie werden erfolgreich aus dem Bewusstsein verbannt. Ich sehe das aktuell bei meinem Sohn. Jeder Schüler seiner Klassenstufe (5. Klasse) hat ein Handy und unbegrenzten Internetzugang. Was dort teilweise via WhatsApp abgeht, auf welchen sozialen Medien die Kids ein Profil haben und was sie von ihrem Leben dort preisgeben, ist immer wieder erschreckend für mich.

    Die Eltern sehen die (Aus)bildung von Medienkompetenz bei der Schule, die Lehrer und Verantwortlichen reißen sich ein Bein aus. Sie veranstalten Projekttage, behandeln das Thema im Unterricht, gehen auf Sucht- und Persönlichkeitsprobleme im Ethikunterricht ein. Selbst eine Zusammenarbeit mit der Polizei ist entstanden, die mehrmals im Jahr mit Aktionen und Unterrichten für das Thema sensibilisiert. Und jedes Mal gibt es bei den Kindern einen Aha-Effekt. Jedes Mal betrachten sie ihr Verhalten und das der Anderen kritischer.

    Das größte Problem dabei ist nur die Halbwertszeit der schulischen Erkenntnisse. Es sind die Eltern, die das Internet unkritisch und unkontrolliert nutzen, die Gefahren wegwischen. Anstatt gemeinsam mit dem Kind die Nutzung diverser Plattformen zu betrachten, korrektes und kontrolliertes Verhalten zu schulen und Medienkompetenz aufzubauen, verschließen sie die Augen und sind froh, dass das Kind beschäftigt und sozial integriert ist.

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