Ja, Du liest richtig. Und nein, das ist kein Urlaubsbericht.
Ich habe mich von Berlin verabschiedet. Dass es irgendwann dazu kommen würde, wusste ich schon sehr lange.
Mir war auch klar, dass es eigentlich nur ein paar Ziele gibt, die in Frage kamen.
Umstände und Zeitpunkt waren ungewiss.

Nun dürfte Dir klar sein, was zur Pause auf unbestimmte Zeit geführt hat.
Wenige wussten es, ein paar haben es geahnt. Vor ein paar Tagen ist aus dem Berliner ganz offiziell ein Wahlmünchner geworden.
Wie gesagt, dass ich Berlin verlassen musste und würde, war mir aus beruflichen Gründen schon länger klar. Es stellten sich eigentlich nur noch die Fragen nach dem „Wann“ und dem „Wohin“.
In Frage kamen nüchtern aus beruflicher Sicht betrachtet Hamburg, Köln und München.
Mal ganz davon abgesehen, dass ich seit ich weiß was ein Fußball ist Bayernfan bin, haben die letzten Jahre der Irrungen, Wirrungen und Selbstfindung einen sehr klaren Weg aufgezeigt. – Einen Weg, der vom Herz geprägt ist und mit ganzem Herzen beschritten werden muss und wird.
Facebook hatte es ja eh schon geahnt:

Der Umzug hatte es in sich
Nun ist es ja gar nicht so lange her, dass ich innerhalb Berlins umgezogen bin. Das war bereits mit Zeit und Kraft verbunden.
Doch bei überregionalen Umzügen wird es dann spaßig, wenn man vor dem Ortswechsel nicht mehr genügend Zeit hatte zu packen.

Also bin ich immer wieder nach Berlin gefahren um wieder ein Stück weiter zu packen, auszumisten, zu organisieren. Dass Bayern da den ein oder anderen Feiertag mehr hat als Berlin, ist mir dabei durchaus entgegen gekommen.
Unterm Strich habe ich so einige Nächte im Reisebus verbracht.
Doch diese wiederholten Kurztrips hatten auch etwas Gutes für sich: So konnte ich meinen Sohn ein paar Mal besuchen. Und es soll ja auch so bleiben, dass wir uns auch ganz analog sehen.

Mit zwei Sprintern ging es dann am Umzugstag nach München. Ein langer, anstrengender Tag.
Ich hatte immer wieder Zweifel, ob das alles so klappen kann. Doch gemeinsam haben wir das trotz Gewitterflug nach Berlin und anderer Stolpersteine in Planung und Umsetzung geschafft!
Und ich bin den vielen fleißigen Helfern wahnsinnig dankbar!
Vielen lieben Dank Andy, Florian, Mama, Matze, Michael, Papa, Sebastian, Silvana, Tekla fürs Tragen, Fahren, Lachen, Fluchen, Schwitzen und die Hilfsbereitschaft – teilweise über die Landes- und andere Grenzen hinaus.
Und natürlich last but not least meinem Schatz, die so viele Wochenenden immer wieder auf gemeinsame Stunden verzichten musste, beim Umzug den ganzen Tag dabei war, mit Andy die Autos voll im Griff hatte und mich in den richtigen Momenten mal in den Arm nahm, mal mir in den Allerwertesten trat.
Kann man sich als Berliner in München wohlfühlen?
Nun, seit ich die Entscheidung nach München zu ziehen getroffen habe, weht mir diese Frage – oft in Kombination mit einer Böe Unglauben und Mitleid – entgegen.
Ich denke, dass es ein Prozess ist, einen anderen Ort als seine Heimat anzunehmen. Ganz abgesehen davon, dass man dafür natürlich auch offen sein muss.
Als ich vor vielen Jahren das erste Mal nach München kam, habe ich es schlicht belächelt. Es war für mich eher eine Vorstadt und ich konnte es einfach nicht für voll nehmen.
Später verschlug es mich beruflich für ein paar Tage hierher. Damals war es schon eher Stadt für mich. Aber immer noch zu klein und zu spießig.

In der Triple-Saison war ich zu einem Champions League Spiel in der Arena. Doch dabei hatte ich keine Gelegenheit, die Stadt weiter kennenzulernen.
Nun bin ich ein gutes halbes Jahr aus Herzensgründen immer wieder nach München gefahren, habe es in aller Ruhe kennenlernen dürfen.
Sowohl die Stadt, als auch ich selbst haben sich weiterentwickelt. Und es ist ein anderes Kennenlernen, wenn man quasi ohne Arbeitsauftrag im Sinne festgefahrener Sightseeing-Ziele oder ähnlichem einen Ort aufsucht.
Man ist offen für das, was einen erwartet, blendet nichts aus, weil es keinen Grund gibt, sich nicht auch einmal fallen und ablenken zu lassen.
Ich bin mit den Jahren wesentlich ruhiger und spießiger geworden. Ganz im Sinne eines Werbespots von irgend so einem Kreditinstitut, dessen Name mir mal gerade entfallen ist.
Und jetzt bin ich seit einem halben Jahr fast täglich in München unterwegs, lebe und arbeite hier und entdecke immer wieder Neues.
Was ich aus Berlin vermissen werde
Die kulinarischen Genüsse des Alltags fehlen mir ein wenig. Sei es eine anständige Currywurst, ein leckeres Mettbrötchen oder ein Döner, der nicht nur so heißt.
Das soll nicht heißen, dass die bayrische Fastfoodkultur mir nicht zusagt. Ich meine lediglich, dass es hier andere Dinge gibt als ich sie gewohnt war.
Das etwas ländliche Flair Münchens hat Vor- und Nachteile. An dieser Stelle vermisse ich die Berliner Öffnungszeiten.
Hier ist deutlich weniger Spielraum zum Schließen kurzfristig entstandener Lücken im Kühlschrank.
Und ganz sicher werde ich den tollen Ausblick auf Sonnenauf- und -untergänge von meinem Balkon aus vermissen.

Gibt es auch Dinge, die mir nicht so gut gefallen in München?
Ich denke eine perfekte Welt lassen wir mal da wo sie hingehört. Nämlich im Reich der Märchen.
Natürlich gibt es auch Kritikpunkte meinerseits. Ein paar Beispiele:
Äußerliche Extreme
München scheint mir eine Hochburg der Ess-Störung zu sein – in allen Facetten und absolut alters- und geschlechtsunabhängig.
Einige scheinen sprichwörtlich keine Kostverächter zu sein. Und die landestypischen Genüsse sind nicht gerade dafür bekannt, dass sie gleich wieder abgebaut werden.
Andere hingegen scheinen sich hier zum Casting einer wörtlich zu verstehenden Version von „Vom Winde verweht“ verabredet zu haben.
Es ist jetzt nicht so, dass es in der Bahn nach einem Mix aus Haxn und erbrochenem Salatblatt riecht. Es ist rein optisch eine Welt der Extreme. Irgendwie zwiegespalten zwischen „Setz dich, hau rein!“ und „Nein danke. Mehr als drei Reiskörner hat mir mein Agent verboten.“.
Das wirkt manchmal etwas unwirklich – als wäre es eine permanente Filmkulisse.
Ich denke, dass das daran liegt, dass hier offensichtlich mehr Wert als anderswo aufs Äußerliche und Statussymbole gelegt wird.
Kinder und die Schule
Wenn ich mir in der Bahn die Gespräche der Schulkinder so anhöre, bin ich ganz froh, dass ich diesen Lebensabschnitt woanders verbringen durfte.
Dass das bayrische Schulssystem nicht gerade zimperlich ist, ist weithin bekannt. Der Lehrstoff, über den sich die Schüler austauschen, kann ich selten aus meiner Erfahrung heraus mit deren Alter in Einklang bringen.
Die Kinder wirken äußerlich brav. Doch man merkt einigen deutlich den Druck an, unter dem sie stehen. Manche bewegen sich und reden gehetzt, ruhelos. Andere scheinen sich zu betäuben und haben auch kein Problem sich ganz offen über die Hilfsmittel auszutauschen. Eine Bandbreite, die ich so vom Bahnhof Zoo kenne – nur in chic.
Es macht mich traurig, die Kinder so zu sehen. Inwieweit die Eltern überhaupt davon wissen, wie viel Druck auf den jungen Schultern lastet und wie sie damit umgehen, weiß ich nicht. Ich möchte mir da auch keinesfalls ein Urteil darüber erlauben! Ich für meinen Teil hoffe, dass mein Sohn nie in eine vergleichbare Situation gerät.
Was ich an München schätze und genieße

Ich genieße die vielen Grünflächen, gehe unter anderem deshalb auch im Alltag gern zu Fuß.
Und damit meine ich beileibe nicht nur den Englischen Garten! München ist durchzogen von Parks, Wiesen und anderem Grün. Man kann, wenn man will und sich ein wenig auskennt, oft von A nach B kommen ohne gänzlich auf Natur verzichten zu müssen.
Die Stadt ist wesentlich sauberer als Berlin. Bis auf wenige Orte ist sie auch schlicht langsamer, gemütlicher. Nach Jahrzehnten des Wettlaufs gewöhnungsbedürftig, aber keineswegs schädlich.
Ganz im Gegenteil: Die gemütliche Atmosphäre in Kombination mit dem Grün lädt förmlich zum Spazierengehen ein. – Zu zweit natürlich am schönsten.
Die mürrischen Berliner sind hier die granteligen Bayern.
Wobei ich sagen würde, dass der grantelige Bayer einem unmissverständlich zu verstehen gibt, dass man ihm gerade einfach auf den Keks geht, während der mürrische Berliner trotz des rauen Tons schon auch behilflich sein will. (Er vermeidet damit ja, dass man wiederkommt. )
Ich denke, dass ich mich über die Nähe zur Arena und dem FC Bayern freue, brauche ich nicht großartig erläutern.
Man munkelt zwar, dass hier noch weitere Vereine ansässig sein sollen, doch man wird so gut wie nie für seine Fanzugehörigkeit angepöbelt.

Auch von den Öffentlichen Verkehrsmitteln bin ich tatsächlich ein wenig beeindruckt. Mit der sogenannten „Stammstrecke“ steht die Zuverlässigkeit eines großen Teils des S-Bahn-Netzes zwar permanent auf Messers Schneide, gleichzeitig sind die Wege durch die Stadt damit aber auch unheimlich gut und schnell zu bewältigen.
Durch eben jene Anfälligkeit kommt es natürlich auch immer wieder zu kleinen Problemchen. Von der Häufigkeit her erinnert es mich an die Phase mit den gefühlt täglichen Kabeldiebstählen / -beschädigungen bei der S-Bahn in Berlin. Doch in Sachen Reaktionszeiten kann sich Berlin da einfach mal ne Scheibe von abschneiden!
Mit S-Bahn, BOB (Bayerische Oberlandbahn) und Co. ist man wahnsinnig schnell im Umland / an den Alpen, kann Spazierengehen, Wandern, Klettern. Ich muss an der Stelle sagen: Ich wohne jetzt quasi da, wo andere Urlaub machen.
Und, ich muss nochmal auf das ländliche Flair zurückkommen:
Ich habe zuletzt in Berlin-Tempelhof gewohnt, was mir einen ähnlichen Komfort geboten hat. Ländliche Ruhe, schnelle Wege zum Ziel. Im Prinzip ein vergleichbar entspanntes Dasein mit dem Service der Großstadt.
Und das hat in meinen Augen Charme! Denn daheim habe ich meine Ruhe, kann trotzdem schnell von A nach B und muss auch sonst nicht erst drei Orte weiter, weil ich etwas vor Ort nicht bekommen kann.
Und obgleich München das gerne mal verschweigt, sind nicht alle aalglatt und jederzeit bereit spontan einen roten Teppich zu beschreiten. Es gibt es hier durchaus auch Individualisten. Es ist ähnlich wie mit den Schlümpfen: Wenn man genau hinsieht, ist München genauso bunt wie Berlin!
Es war eine gute Entscheidung!
Ich bereue es nicht, diesen Weg eingeschlagen zu haben. Beruflich wie privat hat es mich positiv weitergebracht.
Ich merke, wie ich Stück für Stück immer weiter aufblühe und genieße ein ganz neues Lebensgefühl.
Bei gutem Wetter kann ich in der Mittagspause in ländlicher Ruhe den Alpenblick genießen, Spazierengehen und Wandern geht sowohl im Alltag als auch auf Ausflügen.

Und ich darf jeden Tag aufs Neue feststellen, dass manche romantische Vorstellung keine Utopie ist, sondern gelebt werden kann.
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Nun weißt Du, dass ich meine 7 Sachen gepackt habe und nach München gezogen bin.
Natürlich hat das auch für den Blog Folgen.
In nächster Zeit wird sich einiges um 7 Sachen drehen. So viel ist sicher!
Mehr dazu beim nächsten Mal.
„Tschüss, Berlin. Ick komm dir janz sicha jelejentlich besuchen.“
Gregor, Du sprichst mit dem Herzen, das reicht mir. Ich bin Suhler (Wahlsuhler) habe oft an Euch gedacht, aber die Zeit ist nun mal so wie Sie derzeit ist.
Kleiner Gruß an Euch alle.
P.S. war gestern mal bei den Pfahlbauten am Bodensee (Zeitreise) Das ist sehr sehenswert. Wir hätten sicher möglichst viele Bildungswillige und unwillige dhin gekarrt um ein ausgewogenes Grundwissen bei Ihnen zu erreichen.
Warst Du schon dort ? Als Wahlmünchener für Dich sicher kein Problem.
Gruß aus dem Ursprungszentrum der meisten politischen Parteien (Thüringen)
zumindestens CDU,SPD und PDS/die Linken)
MROJSO
Hallo MROJSO,
ja, der Bodensee ist quasi um die Ecke und ich war auch schon dort
LG
Gregor
Hoppla, eine Verbindung in die Bayerischen Gefilde habe ich erkannt, waren es doch einige Grüß Gott in der Sparte Herbergsvater.
Erst mal Moin Gregor.
So ein Umzug von Balin nach Bajuwaren-Town ist sicherlich nicht leicht.
Ich lese aber das Du Hilfe hast in Form von wohlmeinenden Armen.
Räumliche Trennung vom Kind……….. ich denke ich kann Dir nachempfinden.
Wirst einige Zeit noch im verflixten Bus verbringen dürfen.
Wie auch immer, im Prinzip bin ich für schnelle, kurze Sätze.
Ich wünsche Dir, Deinen Dir nahesthenden viel, ganz viel Glück im Sinne Deiner Entscheidung.
Wer weiß, vielleicht trifft man sich mal in München, zum Beispiel wenn der HSV im Stadion gewinnt.
Sag jetzt nur nicht dann käme ich ja nie nach München.
Doch wir Reisen nun viel und gerne.
Ergo, lieber Gregor nebst unbekanntem Mitanhang, VIEL, VIEL GLÜCK in den kommenden Jahren.
Hummel – Hummel
aus Hamburg
Hallo Holger,
vielen Dank fürs Vorbeibrummen
Dank auch für die lieben Worte und Wünsche!
Mit der HSV-Bedingung könnte es schwierig werden. Aber wir müssen es ja nicht daran koppeln.

Sagt einfach rechtzeitig Bescheid. Wir finden dann was, gelle
Liebe Grüße einmal quer rüber nach Hamburg
Gregor